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Das geologische Geschehen in der Karbonzeit

      

Zur Erklärung der für das Ruhrgebiet besonders bedeutenden Karbonzeit sollte man die Geologische Zeittafel betrachten (Abb. 14). Die Kohlenbildung begann vor ca. 320 Millionen Jahren im Oberkarbon - als die Erde schon 93 % ihres Bestehens von 4.6 Milliarden Jahren hinter sich hatte - und endete vor ca. vor 305 Millionen Jahren.

Während dieser Zeit befand sich Europa und damit auch das Ruhrgebiet in Äquatornähe und wies ein feucht-heißes Klima auf. Zwischen einem alten Kontinent in Skandinavien und dem einige hundert Kilometer südlich des heutigen Ruhrgebiets sich bildendem sogenannten Variscischen Gebirge erstreckte sich eine breites Tiefland, auf der ausgedehnte Sumpfwälder wuchsen. Das Gebirge entstand durch den Norddruck der afrikanischen Kontinentalplatte und rückte im Laufe der Karbonzeit von Südosten immer weiter nach Norden vor. Gleichzeitig mit der Gebirgsbildung senkte sich der Untergrund des vorgelagerten Tieflands ab. In der weit ausgedehnten Deltalandschaft der sumpfigen Küstenebene wuchsen Wälder aus heute nicht mehr vorkommenden Baumarten: bis 45 m hohe Cordaiten, Bärlapp- oder Schuppenbäume, bis 35 m hohe Siegelbäume, Farne, bis 10 m hohe, bambusartige Schachtelhalme und viele mehr. Diese Sumpfwälder wurden immer wieder vom Meer bedeckt, weil die Absenkungsgeschwindigkeit das Biowachstum überbot. Der Abtragungsschutt des Variscischen Gebirges, der aus Kieseln, Sand und Schlamm bestand, überdeckte die abgestorbenen Wälder.

Die Absenkung der Bio- und Lockermassen in die Tiefe war mit einem Druck- und Temperaturanstieg verbunden. Aus Sand entstand Sandstein, aus Tonschlamm Tonschiefer und aus einer Mischung von Sand und Tonschlamm Sandschiefer. Die Biomassen verfestigten sich zu Kohlenflözen. Da die Waldzonen etwa dreihundert Mal überflutet worden waren, entstanden auch ebenso viele Kohlenflöze unterschiedlicher Mächtigkeit (Dicke). Je tiefer diese absanken, desto mehr verloren sie ihren Gehalt an Wasser und Gas. Den größten Anteil an verbliebenem Kohlenstoff haben durch diese Inkohlung die älteren Magerkohlen (Anthrazit), den geringsten die jungen Gas- und Flammkohlen. In allen Schichten finden sich Abdrücke von Pflanzen und Tieren, z. B. Schnecken. Diese Relikte halfen den Geologen, die oft tektonischen Einflüssen ausgesetzt gewesenen Erdschichten weit auseinander liegender Aufschlüsse zeitlich einander zuzuordnen.
 

     Abb. 19: Sumpfwald der Karbonzeit

      
Abb. 20: Einige Bäume der Karbonzeit waren bis zu 45 m hoch


Die Abbildungen 19 und 20 sind das Ergebnis tschechischer Grabungen im Kohlenbecken Ovčín bei Kladno (Tschechien). Für die Überlassung ist den Herren Dr. Stanislav Opluštil und Jiří Svoboda (Zeichnungen) zu danken.
Die lang andauernde variszische Gebirgsbildung erreichte von Südosten her drückend noch in der Karbonzeit die ursprünglich flach gelagerten, erhärteten Schichten des Kohlengebirges und schob sie wie ein Tischtuch zusammen. So entstanden Südwest-Nordost streichende (verlaufende) Mulden und Sättel. An Überschiebungen wurden die Schichten auch teilweise übereinander gedrückt.
Während des Mesozoikums (Erdmittelalter) wurde Norddeutschland abwechselnd von Land und Meer beherrscht. In der Kreidezeit wurden die im Süden des Ruhrgebiets bereits gefalteten und teilweise wieder abgetragenen Karbonschichten diskordant von den flachen  Ablagerungen der Kreidezeit bis in das nördliche Sauerland flach zugedeckt, der Kreidetransgression (Abb. 21).

Die Bildung der Alpen begann bereits im Mesozoikum, setzte sich im Tertiär – der Zeit der Braunkohlenbildung z. B. am Niederrhein - fort und hält wegen des Druckes der afrikanischen Kontinentalplatte abgeschwächt noch heute an. Sie ist für die Auffaltung der Alpen, des Apennin und der Karpaten verantwortlich. Mit dieser bisher letzten Gebirgsbildung erneut mit Druck aus Süden wurde Mitteleuropa angehoben, wobei die deutschen Mittelgebirge entstanden. In dieser Zeit wurde das Gebirge mit den flözführenden Schichten durch tektonische Kräfte vorwiegend quer zu den Gebirgsfalten zerbrochen und entlang der aufgerissenen  Störungen zu Horsten angehoben oder zu Gräben abgesenkt. Diese Veränderungen der ursprünglichen Lagerung der Erdschichten schufen Störungen (Gebirgsspalten) deren Verwürfe von wenigen Zentimetern bis zu fast einem Kilometer Länge reichten. Den Bergleuten brachte das erhebliche Schwierigkeiten. Jeder Orogenese (Gebirgsbildung) ist mit einer Erosion (Abtragung) verbunden, sodass die Transgressionsgrenze der Kreidezeit sich vom nördlichen Sauerland nach Norden bis zur Linie Oberlauf der Emscher/A 40 verschob und dadurch im Süden des Ruhrgebiets das flözführende Karbon zu Tage trat (Abb. 21, 22 und 23).
  

     Abb. 21: Die Kreidetransgression über dem Karbon in vereinfachter Darstellung, weil die durch die alpidische Gebirgsbildung entstandenen Karbonhorste bei Ibbenbüren und Osnabrück nicht eingezeichnet sind. (RAG)

     Abb. 22: Das „Fenster des flözführenden Karbons an der Erdoberfläche. Die strichpunktierte Linie stellt die heutige Grenze der Kreideschichten (Mergelgrenze) dar.
(Vereinigte Stahlwerke AG)

     Abb. 23: Das flözführende Karbon ist im Süden des Kohlenreviers oberhalb der grünen Linie (Erdoberfläche) bereits abgetragen. Die braune Fläche stellt die Kreideschicht dar.
(Quelle unbekannt)

     Abb. 24: Strukturkarte, dargestellt an der Karbonoberfläche, Blatt 4510 Witten.
Siehe Schnitt E - F in Abb. 25. Rote Linie: Rheinischer Esel
(Geologisches Landesamt NRW, Krefeld 1980).
Dunkelrot: Untere Bochumer Schichten (Fettkohlen)
Hellblau: Obere Wittener Schichten (Esskohlen)
Dunkelblau: Untere Wittener Schichten (Esskohlen)
Hellbraun: Obere Sprockhöveler Schichten (Magerkohlen)
Dunkelbraun: Untere Sprockhöveler Schichten (Magerkohlen)

Das folgende Profil zeigt die komplizierten tektonischen Lagerungsverhältnisse der Karbonschichten unserer näheren Heimat:

Abb. 25: Schichtenschnitt E - F in der Abb. 24 im Bereich von Kruckel (hellbraun: nicht flözführendes Karbon, dunkelbraun = Magerkohlen-, Grau = Esskohlen- und Rot = Fettkohlenschichten (Geologischer Dienst NRW, Krefeld 2017) in Anpassung an die Erdoberfläche.
(Google/Bearbeitung Helmut Kaufung)

     Abb. 26: Aufschluss des Finefrau-Sandsteins unter der Straßenbrücke Johannisbergstraße. Nicht sichtbar ist das darunter liegende Flöz Geitling 3 (auch Mentor genannt). Das Flöz tritt auch im früheren Muttentaler Steinbruch Dünkelberg und im Besucherstollen Nachtigall auf. Die nach Nordwesten geneigten Schichten  gehören zum Nordflügel des Ardey-Hohenstein-Sattels, 2017.
(Tilo Cramm/Dr. Volker Wrede)

© Helmut Kaufung 2024
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