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Die Besiedlung des Ardey-Vorlandes

      
Das heutige Deutschland mit der Region Ruhrgebiet war nach der Eiszeit von Mooren, Heiden und ausgedehnten Wäldern bedeckt. Die in dieser Landschaft umherziehenden Jäger und Sammler wurden später Ackerbauern und Viehhalter. Sie siedelten bevorzugt an Orten, die  gute Ackerböden und Wasser für Mensch und Vieh boten. Wie Ausgrabungen von Langhäusern zum Beispiel im Weißen Feld bei Oespel aus der Jungsteinzeit vor 6 500 Jahren zeigen, war der Hellweg im Zuge Marten-Dortmund-Unna-Werl lange vor Beginn unserer Zeitrechnung besiedelt. Es gab hier fruchtbare Lössböden, Salzquellen und von den südlichen Höhen des Ardeys und Haarstrangs flossen Bäche herab. Die etwa vor über tausend Jahren „Hellweg“ benannte Heerstraße begünstigte den Warenaustausch. Die Römer bevorzugten allerdings vor zweitausend Jahren die Lippe zum Versuch, Germanien in das Römische Reich einzugliedern.
Um Christi Geburt siedelte in unserer Region der germanische Stamm der Brukterer, der aber von den Römern nahezu ausgerottet und von den um 700 n. Chr. aus dem Norden nach Westfalen vordringenden, Land suchenden Sachsen aufgesogen worden war. Nun verstärkte sich die Siedlungstätigkeit und die Bauernhöfe rückten nach und nach zum südlich gelegenen Ardeygebirge vor. So waren bis etwa um 1 000 n. Chr. die an den Hellweg südlich angrenzenden flacheren Lagen des Ardeywaldes weitgehend gerodet. Die Siedler errichteten ihre Höfe in kleinen Gruppen bevorzugt an Bächen und in der Nähe lösshaltiger und stauwasserfreier Böden. Die Bauern mehrerer dieser Hofesverbände hatten sich im Mittelalter zu Bauerschaften (buer = Haus, Hof) zusammenschlossen. Auf dem Syberg legten sie wegen der zahlreichen Überfälle und Kriege eine Fluchtburg an.
Als die Franken von Westen und Süden in Sachsen eindrangen, um die Bewohner zum Christentum zu bekehren und um ihren eigenen Machtbereich zu erweitern, setzte sich ab 775 nach der Eroberung der auf dem Syberg liegenden Fluchtburg Sigiburg ihr Einfluss in unserer Gegend durch.
Bis zur Machtübernahme der Franken waren die Bauern Herren auf eigener Scholle gewesen. Das änderte sich bei den Franken durch die Übertragung von Land und Höfen auf Adlige und die Kirche. Das Werdener Urbar aus dem 8. Jahrhundert, die Limburger Vogteirollen des Grafen Friedrich von Isenburg von 1220/1221, das Essener Kettenbuch um 1410 (im Dom gegen Diebstahl angekettet) und das Schatzbuch der Grafschaft Mark von 1486 führen die Dörfer und Höfe der jeweiligen Eigentümer auf. Die ersten schriftlichen Erwähnungen von Ansiedlungen des Kirchspiels Kirchhörde stammen erst aus dem 12. und 13. Jahrhundert: Hourthe = Kirchhörde um 1150 und 1253, Lufferdinchusen = Löttringhausen um 1250, Kruckelo = Kruckel 1274 und Großholthausen 1289 (Wilhelm Hücker). Die Silben loh und holt weisen auf Wald hin.

Die Ansiedlungen im Süden des heutigen Stadtbezirks Hombruch bildeten anfangs eine einheitliche große Bauerschaft mit der abseits liegenden Kirche in Kirchhörde als religiösem Zentrum. Später teilte sie sich in die Bauerschaften Großholthausen / Kruckel und Löttringhausen / Kleinholthausen / Kirchhörde auf. Persebeck und Menglinghausen gehörten zum Kirchdorf Eichlinghofen. Man kann sicher sein, dass die Höfe bereits weit vor der Zeit ihrer amtlichen Registrierung bestanden. Nach Verfall, Bränden und Kriegsereignissen wurden die Höfe immer wieder wohl in althergebrachter Fachwerkbauweise neu errichtet.
Abb. 11: Die Patrokluskirche in Kirchhörde, 2020
(Tilo Cramm)
Mindestens seit 1302 waren in unserem Bereich der Graf von der Mark, später der Herzog von Kleve und schließlich der brandenburgische Herzog bzw. preußische König die größten Grundherren und Eigentümer. So wurden viele Höfe zu staatlichen Domänen - ihre Aufsitzer waren abgaben- und frondienstpflichtige Pächter. Die Kötter waren meist von den Bauern abhängig.

Im Gegensatz zu den älteren, kleinen Haufendörfern Annen, Eichlinghofen und Barop bestanden die Ansiedlungen im Wald vor dem Ardeygebirge jeweils nur aus wenigen Höfen. Durch Rodung vergrößerten sich allmählich ihre landwirtschaftlichen Flächen.

Nach dem „Kataster der kontribuablen Güter in der Grafschaft Mark von 1705“ bewirtschafteten in Großholthausen drei Höfe 887 Morgen, in Kruckel vier Höfe 507 Morgen, in Löttringhausen vier Höfe  und vier Kotten 412 Morgen, in Persebeck drei Höfe und zwei Kotten 654 Morgen sowie in Brunebeck acht Höfe und vier Kotten 518 Morgen. Es wurden insgesamt 2 978 Morgen angerechnet, was  für die 32 landwirtschaftlichen Betriebe dieses Bereichs eine Größe von durchschnittlich 115 Morgen ergibt.

Zählt man die 22 Grundstücke der Bauern mit 2 931 Morgen zusammen, ergibt sich eine mittlere Größe von 133 Morgen je Hof. Der größte Hof Schulte in Großholthausen war mit 436 Morgen mehr als drei Mal so groß wie der Durchschnitt. Seine Felder lagen konzentriert um den Hof herum, was ein großer Vorteil war.
 
Vom Schulten wurden die Höfegemeinschaften bzw. Bauerschaften geleitet. Dieser besaß die niedere Gerichtsbarkeit und konnte als Richter Brüchten (geringere Strafen) verhängen. Sein Richteramt und das eines Holzrichters (Richter in Forstangelegenheiten in den allgemeinen, noch nicht verteilten Heiden und Marken) blieb nach 1500 noch einige Zeit beim Schulten.

Bis um 1500 zog er auch die Abgaben für die Grundeigentümer zunächst in Form von Naturalien - wie Korn und Vieh, danach der märkische Amtmann in Hörde in Form von Geld ein. Die Höhe der Abgaben hing von der Hofgröße ab. Sie lagen bei Berücksichtigung aller 32 landwirtschaftlichen Betriebe bei 0,63  bzw. bei  0,68 Reichstalern je Morgen, wenn man die Abgaben allein auf die 22 Bauern bezieht.

Der Schultenhof in Großholthausen zahlte 285 Reichstaler im Jahr. Die zumeist zu den Höfen gehörenden Kotten waren wegen oft fehlender landwirtschaftlicher Flächen wenig belastet, der Kötter Schlender beispielsweise jährlich nur mit 1,70 Reichstalern. Die Kötter zahlten dem Bauern jedoch zusätzlich Pacht für ihren Kotten und waren zu Handdiensten verpflichtet. Die Kötter hielten sich wenige Tiere, durften in einigen Fällen die Mark als Hude nutzen, pflegten Gärten und Obstbäume (hießen nach den oft gepflanzten Zwetschgenbäumen auch Prumenkötter) und waren häufig auch auf den nahen Stollenzechen als Bergleute tätig.

Erst nach der Bauernbefreiung in Preußen 1799 und nach den Stein-Hardenbergschen Reformen von 1807 als Folge der Niederlage Preußens gegen Frankreich von 1806 konnten die königlichen Domänengüter von den Pächtern gegen Geldzahlung abgelöst, d. h. als Eigentum übernommen werden, was sich bis 1855 hinzog. Die Ablösung von Dienstbarkeiten (Frondienst) gegenüber dem Staat erlosch 1850. Die Verteilung der Markenflächen vor allem im Ardey auf die Bauern begann gegen Ende des 18. Jahrhunderts, wurde aber für die  Großholthauser Mark erst 1830 realisiert.
Im Jahr 1817 – weit vor dem Durchbruch der Industrialisierung und des Tiefbaus – war der Landkreis Hörde wegen seiner landwirtschaftlichen Struktur recht dünn besiedelt. Die Stadt Hörde selbst besaß nur 1 062 Einwohner. Beispielsweise zählte Kirchhörde 110, Löttringhausen 75, Kleinholthausen 127, Großholthausen 88, Kruckel 49, Salingen 40, Persebeck 47, Menglinghausen 73 und Eichlinghofen 122 „Seelen“. (Knorr)
Der um 1850 beginnende Übergang vom Stollenbergbau auf den Tiefbau, die Ansiedlung von Eisenhütten in der Nähe der Kohle und die Einrichtung von Maschinenfabriken förderte den massenhaften Zuzug von Menschen aus Mittel- und Ostdeutschland. Aufzunehmende Umsiedler und Vertriebene nach zwei Weltkriegen sowie der Wunsch junger Paare nach Eigenständigkeit wurden Veranlassung einer massiven, langjährigen Neubautätigkeit. Das Anwachsen der Wohnsiedlungen bei gleichzeitigem Verschwinden der Montanindustrie zeigen die folgenden Abbildungen:
    Abb. 12: Ausschnitt aus der Karte von Le Coq von 1805.
    Abb. 13: Heutiger Stand der Besiedlung im Dortmunder Südwesten
(© Stadt Dortmund Vermessungs- und Katasteramt CC-BY 4.0)
Zur Geschichte der Besiedlung des Ardey-Vorlandes gehört auch "Die Bedeutung und Teilung der Marken" sowie "Die Besiedlung der Großholthauser Mark" und und der anderen Marken im 19. Jahrhundert.
© Helmut Kaufung 2024
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