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Die Besiedlung der Großholthauser Mark

      
 

In der Nachbarschaft der Ansiedlungen lag die gemeine Mark, noch nicht aufgeteilte Flächen aus Wald und Heiden. Sie wurde von einer Gesamtgrenze (Grenze, Schneide) umschlossen, die von Marksteinen (auch Schnadsteinen und Schnatgräben) gekennzeichnet war. Sie wurde jährlich beim Schnadegang kontrolliert. Eine Mark bedeutete in erster Linie eine Grenzfläche.
Die Aufteilung der Marken im 18. Und 19. Jhdt. auf die Markengenossen verlief im Einklang mit der Bauernbefreiung. Es ergab sich aber auch die Notwendigkeit, Siedlungsstellen vor allem für zugezogene Bergleute zu erschließen, die im aufblühenden Steinkohlenbergbau arbeiteten. Sie stammten aus Westfalen selbst, aus Waldeck, Hessen, dem Harz und aus dem Siegerland. Die Markenteilung erfolgte nach der Hofesgröße und dem Wert der neuen Grundstücke. Da die bei den Höfen wohnenden abhängigen Knechte und Kötter keine Eigentümer waren, blieben sie von der Teilung der Mark ausgeschlossen. Adelige, wie von Romberg, nahmen an der Teilung teil, sie erhielten sogenannte Sundern (Sonderflächen). (Kleine-Weischede: Geschichte des Kirchspiels Kirchhörde III, 2000).   

Die Neusiedlungen begannen nach der Teilung der Heiden und Marken. Die Großholthauser Mark wurde erst 1830 aufgeteilt. Bald danach entstanden Häuser Am Ballroth, auf dem Schnee und östlich der Straße Silberknapp zum Schnee.

Neusiedler – vor allem Bergleute - mussten Erbpacht an die Eigentümer zahlen. Sie waren wegen ihres kargen Lohns gezwungen, neben ihrem Kotten weitere Flächen zu pachten und urbar zu machen, um durch eine kleine Landwirtschaft ihren Lebensunterhalt zu verbessern. Typisch dafür waren Bergmannsziegen und Zwetschgenbäume. Die Bergmannskötter hießen deswegen auf Platt auch Prumenkötter.

Der Deilmann-Kotten, Am Ballroth 115

Als 1829/1830 die Großholthauser Mark auf die in Großholthausen und Kruckel ansässigen Bauern aufgeteilt wurde, erhielt auch der Kruckeler Bauer Heinrich Wilhelm Deilmann ein Stück Wald am Hang des Ballroth. Aus unbekanntem Grund gab er 1839 im Alter von erst 34 Jahren seinen Kruckeler Bauernhof an einen Rusche ab und errichtete 1840 aus Ruhrsandsteinen, die wohl aus nahen Steinbrüchen stammten, einen Kotten. Hier betrieb er dann eine kleine Landwirtschaft. Im Kirchenbuch Kirchhörde wird er als Berginvalide bezeichnet, was annehmen lässt, dass er wohl auf nahe liegenden Stollenzechen gearbeitet hatte.

Abb. 23: Der Deilmann-Kotten vor 1963
(Firma Deilmann: 75 Jahre Carl Deilmann)

      
Abb. 24: Inschrift über der Eingangstür:
"Heinrich. Wilhelm Deilmann:Elsa Catharina Pütter.
den. 16 ten Sept Anno 1846
Ehe:leute."

Heinrich Wilhelm und Elsa Catharina hatten 1834 geheiratet. Das Datum 1846 gibt das Jahr der Einlassung der Tafel an, 2018.
(Tilo Cramm)

Heinrich Wilhelm Deilmann hatte mit seiner Ehefrau vier Kinder, ein Mädchen und drei Jungen. Sie alle sind im Kirchenbuch Kirchhörde eingetragen. Zwei Jungen widmeten sich später voll dem Bergbau.

Der älteste Sohn Carl Hermann Deilmann (1837-1888), wohl noch auf dem später abgebrannten Kruckeler Deilmann-Hof geboren, wurde wie sein Vater Bergmann. Als Steiger betätigte er sich als Schachtbauunternehmer. Das Teufen von Schächten erfolgte anfangs händisch mit Schlägel und Eisen und Sprengstoff, später mit den ersten Druckluft-Bohrhämmern. Die Arbeitsstellen lagen im südlichen Ruhrgebiet, wo das Karbon zu Tage tritt.
       
Er hatte mit seiner Ehefrau Berta Hertz (1842-1918) zehn Kinder. Geburt und Taufe des ältesten Sohns Carl wurde 1866 im Kirchenbuch Kirchhörde vermerkt, weitere Nachkommen kamen wegen der wechselnden Arbeits- und Wohnorte beispielsweise in Lütgendortmund und Bochum-Weitmar zur Welt.

Es wird berichtet, dass Carl und später auch dessen Sohn Carl mit dem Deilmann-Kotten stark verbunden waren und sich in ihrer Jugend dort oft aufhielten.

Carl hatte das Dortmunder Humanistische Gymnasium - heute Stadtgymnasium – besucht und in der väterlichen Firma die Ausbildung zum Schachtbauer begonnen. Als der Vater 1888 starb, sollte er mit seiner Mutter das väterliche Unternehmen weiterführen. Stattdessen gründete er 1888 an der Märkischen Str. 43 in Dortmund eine eigene Firma, die „Carl Deilmann Bergbau-Unternehmung Dortmund“. Selma, die Tochter des Lück-Lemberger Brauereibesitzers Heinrich Kramberg, der die Sternbrauerei an der Märkischen Str. 141 besaß, war seine Freundin, die er 1892 heiratete. Der Schwiegervater unterstützte ihn mit einem Vorschuss für den Kauf von Maschinen. Carl bekam als ersten Auftrag das Teufen des Stüve-Schachtes am Piesberg bei Osnabrück. Der Erfolg begründete den schnellen Aufstieg der Firma. Als der prosperierenden Bergbauspezialfirma der Platz an der Märkischen Straße zu eng wurde, zog sie nach dem Ersten Weltkrieg nach Dortmund-Kurl um.

      
Abb. 25: Der Firmengründer Carl Deilmann sen.
(www.cdeilmann.de)
      
Carl Deilmann und seine Familie waren nach der abwegigen Rassentheorie der Nationalsozialisten - sein Vater hatte eine Jüdin geheiratet - eigentlich untragbar. Da er und sein Sohn Leiter kriegswichtiger Bergbauunternehmen waren, konnten sie die Zeit des „Dritten Reichs“ von 1933 bis 1945 überleben. Ein Neffe des Gründers, Sohn von Julius Hermann Deilmann, Dr.-med. Günther Deilmann, als „wehrunwürdig“ eingestuft, aber als Werksarzt der Thüringer Kaligrube Merkers „unabkömmlich“, hat mit Glück den bereits vorbereiteten Abtransport in ein Konzentrationslager nicht erleben müssen. Dr. Günther Deilmann war in seinem Heimatort sowohl vor als auch nach der Wende von 1989 hoch angesehen. (Günther Deilmann in www.wikipedia.org).

Carl und Selma Deilmann bekamen eine Tochter und zwei Söhne. Nachdem der Vater Carl 1936 in Dortmund starb, wurde der ältere Sohn Carl sein Nachfolger.

Deilmann, die in Deutschland und darüber hinaus größte Bergbauspezialfirma, war nicht nur im Ruhrgebiet auf vielen Zechen mit dem Teufen von Schächten und Auffahren von Strecken beauftragt, sondern nahm entsprechende Aufträge weltweit an. Wegen des neuen Betätigungsfeldes der Erdöl- und Erdgasbohrungen in Norddeutschland wurde der Hauptsitz der Firma nach dem Zweiten Weltkrieg nach Bad Bentheim verlegt. Nach dem Rückgang der deutschen Montanaktivitäten verkauften die Deilmanns ihre Bergbauanteile und wendeten sich anderen Geschäftsfeldern zu (www.cdeilmann.de).

Der Aton Beteiligungsgesellschaft München gehört heute die in Kurl noch ansässige und im Ausland gut beschäftigte Schachtbaufirma Deilmann-Haniel GmbH. Sie wurde 2019 in Redpath-Deilmann umbenannt.

Deilmann hat von 1888 bis heute weltweit mehr als 550 Schächte mit der Gesamtteufe von 230 km abgeteuft. Das allein zeigt die historische Bedeutung der Firma Deilmann für Dortmund und auch für die Herkunft der Familie aus Kruckel-Großholthausen.
  

      
Abb. 26: Der sog. Deilmann-Kotten Am Ballroth 115 hat heute einen anderen Eigentümer, 2017. (Gerhard Brune)

Heinrich Wilhelm Deilmanns jüngster Sohn Wilhelm Julius Deilmann (1849-1915), wohl im Kotten geboren, baute auf der Annener Zeche Hamburg einen Großhandel für Baufirmen auf und belieferte auch Zechen. Drei Generationen wohnten im herrschaftlichen sogenannten Deilmannhaus, Annener Kreisstraße 27. Der Baustoffhandel der Deilmanns endete um 1973.

      
Abb. 27: Das sog. Deilmannhaus in Witten-Annen, 2018 (Tilo Cramm)

      
Abb. 28: Grabmal von Wilhelm Julius Deilmann, dem Annener Unternehmer, mit einigen Familienangehörigen auf dem Waldfriedhof Großholthausen. Weitere Grabmäler dieses Familienzweigs findet man im höchsten Teil des Annener Friedhofs, 2006 (Tilo Cramm)


<Hans Tibbe ist für genealogische Forschungen zu danken, wodurch einige Literaturangaben korrigiert werden konnten. Zu danken ist auch Frau Ilse Deilmann und Hans Jürgen Lewer für ihre freundliche Mithilfe, den Stadtarchiven Dortmund und Witten sowie dem Westfälischen Wirtschaftsarchiv.>


Weitere Siedlungshäuser

      
Abb. 29: Am Ballroth 111, früheres Altenteilhaus der Deilmanns, 2018. (Tilo Cramm)

  
Abb. 30: Der Kotten am Franzosensiepen 63 entstand 1835 in hergebrachter  Fachwerkbauweise durch Wilhelm Hunscher, der einer der ersten Siedler in der  Großholthauser Mark war. Der Menglinghauser Bauer Klempt hatte ihm zunächst vier  Morgen in Erbpacht gegeben.

Der  Name Franzosensiepen stammt aus der Kriegszeit um 1806, als sich die Bauern mit  ihrem Vieh vor marodierenden französischen Soldaten in dieses entlegene Bachtal  zurückzogen (Archiv Alfred Heitmann). 1918. (Tilo Cramm).

     
Abb. 31: Der Kotten Am Ballroth 125, direkt oberhalb des Rad- und Wanderwegs „Rheinischer Esel“, 2017. (Gerhard Brune)

© Helmut Kaufung 2024
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